Etwas schroff sehen sie auf den ersten Blick schon aus, die Seepocken. Wie steinerne Warzen kleben sie zu Millionen auf den Felsen der bretonischen Küste und warten bis die nächste Flut wieder Planktonnahrung bringt. Dann öffnen sich die Seepocken für einen Wimpernschlag und sieben mit ihren Rankenfüssen kleine Meeresorganismen, meist Larven des Planktons, aus dem Wasser. Ist die Welle weitergeschwappt, ist auch die Seepocke wieder geschlossen.
Dicht gedrängt haben sie es am liebsten. Seepocken überwachsen die Küstenfelsen.
Seepocken halten alle Unbill der Gezeitenzone aus. Auch ein heisser Sommertag kann den kleinen festsitzenden Tieren nichts anhaben, das stabile Kalkgehäuse schützt sie vor Austrocknung. Gegen die harten Schläge der Brandung schützt das Gehäuse genauso.
Mit den Rankenfüssen fischen Seepocken - hier die Riesenseepocke (Balanus nubilus) - Planktontiere aus dem Wasser.
Seepocken sind Krebse – man will es fast nicht glauben. Die Tiere sind mit ihrem Rücken am Fels festgewachsen und bewegen sich nie vom Fleck. Eine selbstgemörtelte "Mauerkrone" aus massiven Kalksteinplatten umgibt den fragilen Krebskörper. Nur eine kleine Öffnung lässt sich öffnen, um die feinen Rankenfüsse als Planktonnetze ins Meerwasser zu recken.
Auch Miesmuscheln sind ein beliebtes Substrat für Seepocken, um sich anzusiedeln.
Als Larven hat sie das Meer mit Wucht an den Felsstrand getragen, und sie klebten sich zwischen zwei Wellen an einem Felsen fest. Eine Klebdrüse am Kopf macht es möglich (Bild oben).
Seepocken riechen ihre Artgenossen, sie siedeln im Watt immer nur dort, wo es schon welche hat. Sicher ist sicher!
Die Cyprislarven der Seepocken sehen aus wie winzige Muscheln - oder doch eher wie Oliven?
Wie paart man sich, wenn man bewegungslos festgeklebt ist? Als Seepocke ist man weder Männchen noch Weibchen, man ist beides. Die Krebstiere sind Zwitter, und die Rollenverteilung bei der Fortpflanzung ist eher flatterhaft: Seepocken in männlicher Haltung tasten mit einem riesenhaften Penis, der ihre eigene Körperlänge um das 10-fache übersteigt, die Umgebung nach Artgenossen ab; vielleicht findet sich da ja gerade ein Tier weiblichen Gemüts? Da die Seepocken immer in riesigen Ansammlungen leben, stehen die Chancen auf ein erfolgreiches Techtelmechtel – und viele befruchtete Eier – also gut.
Nach der Befruchtung bleiben die Eier im Kalkpanzer des Elternteils. Im Frühling schlüpfen die Larven und werden ins offene Meer hinausgespült. Sie haben zunächst eine für diese Krebse typische Form, die «Naupliusgestalt». Später verwandeln sie sich in eine weitere Larvenform, die «Cyprislarve», die - mit einem kleinen Panzer aus zwei seitlichen Schalen - einer Muschel ähnlich sieht.
Als Larven hat sie das Meer mit Wucht an den Felsstrand getragen
Jetzt muss die Larve einen guten Ort für die Ansiedlung finden. Sie riecht ihre Artgenossen, falls solche in der Nähe sind und heftet sich mit einem ultraschnell haftenden Leim an einem Felsen fest. Sie dreht nun den Rücken zum Felsgrund und zementiert sich endgültig fest. Danach häutet sie sich mehrmals innerhalb des Panzers. Die Wachstumsgeschwindigkeit wird von der Wassertemperatur und dem Nahrungsangebot bestimmt.
Ihre Fähigkeit auch glatte Flächen blitzschnell zu besiedeln, macht Bootsbesitzern grössere Schwierigkeiten. Ohne Spezialbehandlung überzieht sich jeder Bootsrumpf in kürzester Zeit mit einem rauhen Belag aus Seepocken - das heisst auch fouling - und dahin ist die perfekte Hydrodynamik! Das schnittigste Boot wird zur lahmen Ente...
Auch manche Wale kennen einen Bewuchs mit Seepocken... Dabei handelt es sich dann um extreme Spezialisten, die es ausschliesslich auf die Haut von grossen Meerestieren - Wale oder Schildkröten - abgesehen haben.
4 Kommentare
Schöne Webseite, toller Lesestoff!
FF (Frau Fischli - ich hör Senn immer noch kichern, jedes Mal, wenn er's gesagt hat...)
Liebe Grüsse mach weiter so. Anna
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