Warum ist das Meer blau? Und warum ist daran nicht der Himmel schuld?

Warum ist das Meer blau? Und warum ist daran nicht der Himmel schuld?

von Thomas Jermann
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Wenn ich bei Vorträgen oder Exkursionen zu Meeresthemen die Frage stelle «warum ist das Meer blau?», dann erhalte ich oft die fragende Antwort «weil sich der blaue Himmel darin spiegelt!?»

Warum die Antwort wenigstens zum Teil falsch ist, und woher die Farbe des Meeres wirklich kommt, erfährst du hier. Aber ich muss zuerst kurz ausholen...

Als Kind war ich einmal bei einem Freund zum Schwimmen im Einfamilienhaus-eigenen Swimmingpool eingeladen. Das war toll. Meine Familie lebte in einem genossenschaftlichen Wohnblock, und da gab es natürlich keinen Pool. Ich erinnere mich gut, wie sehr mir das schöne Hellblau des Pools damals gefallen hat. Als ich – vielleicht wars ein halbes Jahr später – im Winter denselben Pool wiedersah, war ich enttäuscht und verwundert. Fort war das schöne Hellblau… Das Becken war leer, es hatten sich ein paar welke Blätter darin angesammelt. Und der Pool war, welche Überraschung, komplett WEISS. Die sommerliche blaue Farbe kam also nicht von einem hellblauen Anstrich des Beckens... kam sie vielleicht aus dem Wasser selbst? Allerdings ist Wasser doch farblos...

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Ein Schwarzbrauen-Albatros vor dem tiefen Blau des Südpolarmeeres

Viele Jahre später kam mir beim Tauchen im Mittelmeer der weisse Pool wieder in den Sinn, der im Sommer so schön blau schimmerte. Je tiefer man ins Meer abtaucht, desto gedämpfter wird das Licht und desto farbloser werden Tiere und Pflanzen. Knapp unter der Wasseroberfläche explodieren die Farben förmlich, weiter unten wird ohne Zusatzbeleuchtung alles blassblaugrau. Warum ist das so?

Die Ursache des Phänomens ist dieselbe wie beim weissen Swimmingpool, und es stellt sich auch wieder die Anfangsfrage:
«Warum ist das Meer blau?»

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Eine rote Hornkoralle erscheint in 40 Metern Tiefe blaugrau.

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Dieselbe rote Hornkoralle in derselben Tiefe, aber mit einem Blitz beleuchtet.

Unterschiedliche Wellenlängen

Sonnenlicht besteht aus Strahlung unterschiedlicher Wellenlängen, wie beim Regenbogen. Du kennst das ja. Das Spektrum reicht von – für uns – unsichtbarem Ultraviolett, über Blau, Grün, Gelb und Rot bis zum wiederum unsichtbaren Infrarot. Wenn Sonnenlicht durch die Meeresoberfläche scheint, dann wird es mit zunehmender Tiefe vom Wasser absorbiert. Das Wasser nimmt quasi die Energie des Lichts auf und verschluckt es. Deshalb ist auch in den klarsten Meeresgebieten in 200 Metern Tiefe bloss noch 1% der ursprünglichen Lichtmenge vorhanden, unterhalb von tausend Metern Tiefe gibt es überhaupt kein Sonnenlicht mehr.

Die unterschiedlichen Lichtfarben werden nun auch noch in unterschiedlichem Ausmass aus dem Wasser gefiltert: Zuoberst verschwindet schon nach wenigen Zentimetern das Infrarot. Das bemerken wir nicht mit den Augen, aber mit unseren Wärmerezeptoren auf dem Rücken:

Wer an der Wasseroberfläche schnorchelt, spürt die wärmende Infrarotstrahlung der Sonne. Kaum taucht man ein paar Zentimeter unter, verschwindet das Wärmegefühl.

Dazu noch eine Anekdote: Ich wolle vor einigen Jahren mit einer Nachtsichtkamera Aquarienfische bei Nacht aufnehmen. Die Kamera war sensibel für Infrarot-Licht. Also beschaffte ich mir eine Infrarot-Lampe (deren Licht können wir und auch die Fische nicht sehen, also stört das Licht die Tiere nicht) und legte los. Es war enttäuschend: Das Infrarot drang lediglich ein paar wenige Zentimeter tief ins Wasser ein und wurde dann absorbiert, die Fische blieben auf den Bildern praktisch unsichtbar im Dunkeln verborgen.

Zurück zum Meeresblau:

Was schnell deutlich wird:

Nach etwa fünf Metern sind alle Rottöne verschwunden, sie erscheinen graublau und flau, der rote Lichtanteil wird vom Wasser ausgelöscht. In fünfzehn Metern Tiefe fällt orange aus, in dreissig Metern gelb, und unterhalb von fünfzig Metern ist auch jegliches Grün verschwunden. Alles ist hier bläulich-grau. Schlicht, weil alle anderen Farbanteile vom Wasser geschluckt wurden.


Nun wird auch klar, was mit dem weiss gestrichenen Swimmingpool geschehen war: die Füllung mit zwei Meter klarem Wasser filterte bereits einen bestimmten Lichtanteil heraus, nämlich den roten. Wenn eine Spektralfarbe fehlt, verschiebt sich die Lichtfarbe in die Richtung der Komplementärfarbe, hier also in Richtung blau.

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Eine Edelkoralle aus dem Mittelmeer, ebenfalls in 40 Metern Tiefe.

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Dieselbe Edelkoralle im Blitzlicht

Dass das Meer so wunderschön tiefblau erscheint, liegt daran, dass das eindringende Sonnenlicht mit zunehmender Tiefe gefiltert wird. Das zurückgeworfene Licht – das, welches wir dann sehen können – enthält nun lediglich die noch übrigen Spektralanteile. In der Regel ist dies ein tiefes Blau.

Tatsächlich reflektiert der blaue Himmel auch auf der Meeresoberfläche und kann das Meeresblau verstärken. Aber das Meer ist auch bei grauem Himmel blau.

Bei seichtem Wasser kommt noch anderes dazu:

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Sogar bei Eis ist der Effekt zu erkennen, wenn es nur mächtig genug ist.

Ist der Meeresgrund nur wenige Meter unter der Wasseroberfläche, erscheint das Wasser heller. Und nur ganz schwach blau. Je nach Farbe des Untergrunds entstehen Farbüberlagerungen. Die dunkelgrünen Seegraswiesen erzeugen im Hellblau des Küstenwassers fast schwarze Flecken. Und das traumhafte Türkis an tropischen Stränden – oder in der BRETAGNE (!) – entsteht durch ein Hellblau des seichten Wassers und der Unterlagerung von hellgelbem Sand.

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Hier kommt das hübsche Hellblau des antarktischen Wassers durch überflutete Eismassen zustande

Wenn das Meer nicht blau ist:

Die Wasser der Nordsee und des Ärmelkanals sind oft nicht einfach blau. Häufig erscheint das Meer dort grün oder bräunlich.

Die grüne Meeresfärbung kommt durch einzellige, mikroskopisch kleine Grünalgen zustande, die sich hier stark vermehren können. Grünalgen enthalten wie Landpflanzen den Photosynthese-Farbstoff Cholorophyll. Für die Photosynthese absorbiert Chlorophyll vorwiegend rotes Licht, grünes hingegen wird reflektiert. Deshalb erscheinen uns die meisten Pflanzen in einem grünen Kleid... Und der Ärmelkanal grün.

In arktischen und antarktischen Gewässern treten oft riesige hell- bis rötlich-braune Flächen auf. Dort ist dann weit und breit kein Meeresblau vorhanden. Dafür wimmelt es nur so von wenige Zentimeter langen Tierchen: Milliarden von Krill-Krebsen sammeln sich in riesigen Schwärmen und färben so das Wasser bräunlich ein. Krill vermehrt sich jahreszeitlich massenhaft und ist eine Schlüsselart in den polaren Nahrungsnetzen. Unter anderem leben Pinguine und die riesigen Bartenwale davon.

Unter besonderen Umständen kann sich das Meer sogar rot verfärben. Wenn bestimmte einzellige Algen, Cyanobakterien oder Dinoflagellaten in Massen auftreten, können die gefürchteten «red tides» entstehen. Rote Fluten sind starke Algenblüten. Sie können - entgegen ihrem Namen - auch andere Farben wie grün oder blau annehmen. Manche dieser Einzeller produzieren Gifte und sorgen dafür, dass es zu Schäden an Korallenriffen oder zu Fischsterben kommt. Sie können aber auch zu wunderschönem Meeresleuchten führen.

In Küstennähe oder in flachen Meeresgebieten wird oft feinstes mineralisches Material oder Schlamm aufgewühlt und im Wasser verteilt. Diese Partikel streuen das Sonnenlicht und geben dem Meer eine eher bräunlich-graue Färbung.

Tiefe der Extinktion der Wellenlängen

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Die durchschnittliche Tiefe, bei welcher die verschiedenen Lichtfarben verschwinden.

By Thomei08 - Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=24844937

Im folgenden Video wird alles noch einmal ganz deutlich erklärt:


Thomas Jermann
Thomas Jermann
Ich bin Meeresbiologe und Fotograf. Ich biete private Strand-Führungen in der Bretagne, sowie Vorträge zu ausgewählten biologischen Themen an - für Deinen Verein, Deine Firma oder als Teil einer Veranstaltung.

8 Kommentare

Ernst Pawlowsky
Ernst Pawlowsky
Es kommt noch ein entscheidender Punkt dazu: die "Sauberkeit" des Wassers.
Als ( Meerwasser- ) Aquarianer habe ich immer wieder weiße 25 l-Eimer, die alternativ mit Umkehrosmosewasser, Leitungswasser oder gebrauchtem Aquarienwasser gefüllt sind.
Das Umkehrosmosewasser wirkt bläulich, beim Leitungswasser ist es durchaus unterschiedlich, je nach Wohnort, doch oft sieht es weiß im weißen Eimer aus, und das Aquarienwasser hat meist einen Gelbstich. Wird am Aquarium über Aktivkohle gefiltert, fällt der Gelbstich meist sehr viel geringer aus.
Auch im Meer ist das Wasser dort besonders blau, wo der Gehalt an organischen Inhaltsstoffen besonders gering ist.
Thomas Jermann
Thomas Jermann
Hey Ernst,

Ja, stimmt, das ist ein wichtiger Punkt. Vielen Dank für den Hinweis!
Luki
Luki
Liegt es nicht mehr daran das kurzwelliges Licht viel stärker gestreut wird? Darum ist der Himmel ja blau. Bei einem¨ Pool von 2m Tiefe dringen alle Wellenlängen bis zum Boden (und die 'Tauchringli' der Kinder bleiben ja farbig auf dem Grund), trotzdem ist das Wasser blau... D.h man sieht nicht die Farbe die übrig bleibt weil die anderen Absorbiert sind sondern die die am stärksten gestreut wird. Unlogisch ist für mich das Blau trotzt der grössten Streuung am tiefsten eindringt. In der Luft ist es ja umgekehrt. Tiefe Sonne =langer Weg durch die Atosphäre = Blau alles weg gestreut = Rot bleibt übrig (geht am besten durch)...
Thomas Jermann
Thomas Jermann
Hey Luki,

Nein, es liegt nicht an der Streuung, sondern an der Extinktion der verschiedenen Farbanteile. Rot wird zuerst absorbiert, dann gelb, am Schluss bleibt nur noch blau übrig, das bis in unser Auge reflektiert wird. 🤓
Anna Bally
Anna Bally
Das sehe ich ja auch jedes Jahr in meinem Pool, aber jetzt weiss ich warum es blau ist. Vielen Dank, ein sehr interessanter Artikel. Mach weiter so, kann soviel erfahren von dem ich überhaupt keine Ahnung habe. Einfach toll. Herzliche Grüsse
Brennwald yvonne
Brennwald yvonne
Einfach klar und verständlich vielen Dank es tut gut zu verstehen eine Bereicherung im Leben und gerne will frau noch mehr Wissen😁👍
Walter Looser
Walter Looser
Hallo Thomas
Schön, die unterschiedlichen Farbtöne des Meeres jetzt abgesehen vom blauen Himmel verstehen zu können, vielen Dank!
An Hartmann
An Hartmann
Thank you for explaining something that has always been taken for granted and never questioned. Fascinating.

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